Guten Tag,
in der heutigen Sitzung des Ausschusses für Digitales und Datenschutz
diskutiert der Hessische Landtag über eine Reform des Hessischen
EGovernment-Gesetzes (HEGovG). Mit der Gesetzesänderungen sollen u.a.
Anpassungen aus dem Onlinezugangsgesetz (OZG) aus dem Jahr 2017 in das
HEGovG Einzug halten.
In unserer schriftlichen Stellungnahme zum Gesetzentwurf gehen wir
insbesondere auf Aspekte der IT-Sicherheit, die dringend nötige
Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes für IT-Fachkräfte
und die mangelnde Nutzer:innenorientierung bei Digitalisierungsvorhaben ein.
Digitalisierung wird in der Verwaltung zu häufig noch zu sehr aus Sicht
der Verwaltung - und nicht aus Sicht der Nutzer:innen - gedacht. Das
Land Hessen sucht im Gesetzentwurf nach Wegen, digitale
Verwaltungsleistungen möglichst zugunsten der Verwaltung zu gestalten.
So ist beispielsweise angedacht, Nachrichten an Nutzer:innen über ein
eigens zu diesem Zweck vom Staat bereitgestelltes Nutzer:innenkonto
zuzustellen. Nutzer:innen müssen diese Nachrichten dann innerhalb von
drei Tagen abrufen. Die Nutzung dieses Nutzer:innenkontos ist
freiwillig. Eine solche Online-Anklickpflicht geht völlig an der
Lebensrealität der Menschen vorbei. Den Briefkasten kann man auch mal
von Nachbar:innen leeren lassen, das ist mit digitalen Briefkästen aber
nicht möglich.
Insgesamt bleibt der Gesetzentwurf in zentralen Aspekten der
IT-Sicherheit und des Benutzer:innenerlebnis (User Experience) hinter
den Erwartungen an einen modernen Staat zurück. Statt der konsequenten
Nutzung von bestehenden, offenen Technologien setzt der öffentliche
Sektor in vielen Bereichen noch zu sehr auf in die Jahre gekommene
Eigenentwicklungen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen. Der
Gesetzentwurf enthält jedoch auch sinnvolle Verbesserungen gegenüber dem
Status quo. Hervorzuheben sind insbesondere die Einführung eines
Digital-Checks und die Abkehr von De-Mail.
In unserer Stellungnahme liefern wir viele konkrete Impulse für eine
zeitgemäße, digital gedachte Gesetzgebung, die eine moderne und
effiziente - wo möglich und sinnvoll, vollständig automatisierte -
Umsetzung von Verwaltungsleistungen unterstützt. Hierzu zählen Maßnahmen
zur Erreichung eines angemessenen IT-Sicherheitsniveaus des Landes und
der Kommunen, eine drastische Kostenreduktion durch verbindliche
technologische Vorgaben bei der Mittelvergabe nach dem Vorbild
Großbritanniens, das Monitoring von Kennzahlen, eine
Open-Source-Strategie, verbindliche Vorgaben zur Nutzung von offenen
Standards sowie nicht zuletzt auch eine digitale Verkündung von Gesetzen
und Verordnungen.
Zum Gesetzentwurf: https://starweb.hessen.de/cache/DRS/20/7/09427.pdf
Zur Ausschusssitzung:
https://hessischer-landtag.de/termine/ausschuss-f%C3%BCr-digitales-und-date…
Zu unserer schriftlichen Stellungnahme:
https://www.chaos-darmstadt.de/2023/wir-ver%C3%B6ffentlichen-unsere-stellun…
Bei Rückfragen erreichen Sie mich per Mail via info(a)chaos-darmstadt.de
oder telefonisch unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit möchte ich Sie auf unsere aktuelle Pressemitteilung zur
Videoüberwachung des Luisenplatzes in der morgigen Sitzung der
Stadtverordnetenversammlung aufmerksam machen.
Bei Rückfragen erreichen Sie mich jederzeit per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
400.000€ für das „Sicherheitsgefühl“
Die Stadtverordneten stimmen morgen über die umstrittenen Pläne zur
Videoüberwachung auf dem Luisenplatz ab. Der Platz soll mit 15 Kameras
rund um die Uhr überwacht werden. Aufgezeichnet werden dabei nicht nur
Pendler*innen des öffentlichen Nahverkehrs, sondern auch die Gäste der
Cafés auf dem Platz, wie in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses
in der vergangenen Woche bekannt wurde. Lediglich in der Liveansicht
sollen diese Bereiche verpixelt werden. Dies stellt einen tiefen
Eingriff in die verfassungsrechtlich besonders geschützten
höchstpersönlichen Lebensbereiche dar und dürfte damit in der aktuellen
Form rechtswidrig sein.
Die aktuell diskutierte Vorlage ist lückenhaft
Die Vorlage des Magistrats, über die die Stadtverordneten morgen
entscheiden sollen, enthält unterdessen keine technische Details zu
diesem wichtigen Aspekt. Weder liegen den Stadtverordneten die gemeinsam
mit der Polizei erarbeiteten Leistungskriterien vor, noch wird ein
Sicherheitskonzept gegen die missbräuchliche Nutzung des Systems
vorgelegt (siehe auch [1]). In der Vorlage ist nicht einmal die
Anmeldung mit einer individuellen Nutzerkennung vorgeschrieben. Viele
Details zur geplanten Videoüberwachung wurden erst durch kritische
Nachfragen in Ausschusssitzungen bekannt.
Sicherheitsgefühl statt tatsächlicher Sicherheit
Die Politik spricht von einem „erhöhten Sicherheitsgefühl“ als zentrales
Argument für die Videoüberwachung. Ein Gefühl darf allerdings nicht
herangezogen werden, um die erheblichen Grundrechtseingriffe zu
rechtfertigen. Wie unverhältnismäßig diese Überwachungsmaßnahme ist,
zeigt auch ein Blick in die Polizeistatistik 2018: Demnach gilt
Südhessen als sicherste Region in Hessen [2]. Es werden hier nicht nur
deutlich weniger Straftaten verzeichnet, sondern auch gleichzeitig mehr
Fälle durch die Polizei aufgeklärt. In der Pressemitteilung ist auch die
Rede von erfolgreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Straßenkriminalität
- ganz ohne Videoüberwachung. Selbst Polizeipräsident Bernhard Lammel
betont, die gefühlte Sicherheit der Bürger*innen stehe in keinem
Verhältnis zu den objektiven Zahlen. Die Stadt selbst konstruiert
dahingegen eine Terrorgefahr. In der Magistratsvorlage aus dem
vergangenen Jahr bezeichnete die Stadt selbst den Luisenplatz als
„bevorzugtes Anschlagsziel von Terroristen“ und trägt damit zur
Panikmache bei [3].
Verfassungsrechtliche Bedenken und unklare Wirksamkeit
Die Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme wird mit der am 25. Juni
2018 in Kraft getretenen Änderung des Hessischen Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) begründet. Gegen diese
Gesetzesreform laufen aktuell zwei Klagen vor dem
Bundesverfassungsgericht [4]. In der Magistratsvorlage, die am 18. Juni
2019 in der Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen von Grünen, CDU,
FDP und AfD verabschiedet wurde [5], konstruierte die Stadt einen
besonderen Kriminalitätsschwerpunkt mit 37 Körperverletzungsdelikten, 36
Diebstählen, 27 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, einem Raub,
sechs Bedrohungen und sieben Fällen von Sachbeschädigung im gesamten
Jahr 2017. Die Stadt erläutert, potenzielle Straftäter würden „durch die
Existenz einer Videoüberwachungsanlage naturgemäß davon abgehalten,
diese Straftaten tatsächlich zu begehen“. „Wie genau sich betrunkene
Randalierer durch die Existenz von Videokameras beruhigen lassen,
erschließt sich mir nicht“, gibt Marco Holz vom CCC Darmstadt zu
bedenken. Die Vorlage verschweigt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(§4 HSOG) dabei völlig und lässt außer Acht, dass geeignetere Maßnahmen
wie eine Polizeipräsenz vor Ort nicht nur bloß abschrecken, sondern
sogar zu einer tatsächlichen Erhöhung der Sicherheit am Luisenplatz
beitragen.
Eingriff in die Versammlungsfreiheit
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) warnt in den in der
vergangen Woche verabschiedeten Leitlinien zur Verarbeitung
personenbezogener Daten durch Videoüberwachungstechnik [6] vor den
Gefahren für eine freie Gesellschaft und dem hohen Druck auf Anpassung
an die gesellschaftliche Norm, der von Videoüberwachung ausgeht.
Videoüberwachung sei kein notwendiges Mittel, wenn andere Mittel zur
Erreichung des damit beabsichtigten Ziels zur Verfügung stünden. Der vom
EDSA beschriebene Anpassungsdruck kann allerdings, wie in der morgen zur
Abstimmung stehenden Vorlage bereits erkannt, zur Nicht-Teilnahme an
politischen Versammlungen führen. Vor dem Hintergrund der regelmäßig auf
dem Luisenplatz stattfindenden Versammlungen und Demonstrationen liegt
hier also ein besonders schwerer Eingriff in die grundrechtlich
geschützte Versammlungsfreiheit vor. Wie für potenzielle
Demonstrationsteilnehmer*innen klar und deutlich erkennbar wird, dass
die Videokameras während Demonstrationen abgeschaltet sind, lässt die
Vorlage offen. Im Haupt- und Finanzausschuss wurde letzte Woche bekannt,
dass geplant sei, auf Anweisung des Landesamtes für Verfassungsschutz
auch während politischer Versammlungen Bildmaterial zu übertragen und
aufzuzeichnen.
Politisch inkonsequent
Nicht zuletzt würden insbesondere Grüne und FDP mit einer Zustimmung zur
Vorlage in der Stadtverordnetenversammlung mit ihren politischen
Versprechen und Haltungen brechen. So haben die Darmstädter Grünen
gemeinsam mit der CDU im Koalitionsvertrag festgehalten, dass über eine
Videoüberwachung auf dem Luisenplatz erst entschieden werden soll,
nachdem Bürgerbefragungen und Analysen in Kooperation mit Landespolizei
und dem Kommunalen Präventionsrat Darmstadt (KPRD) durchgeführt wurden
[7]. Die fehlende Bezugnahme in der nun diskutierten Vorlage in der
Stadtverordnetenversammlung legen den Schluss nahe, dass nichts davon
passiert ist. Stattdessen stellen sich die Grünen gegen ihr eigenes
Regierungsprogramm auf Landesebene, worin sie eine massenhafte,
anlasslose Videoüberwachung strikt ablehnen [8]. Genauso werden
Technologien wie Gesichtserkennung im aktuellen Entwurf nicht
ausgeschlossen, was ebenfalls grünen Grundsätzen widerspricht. Die
Einführung der Videoüberwachung auf dem Luisenplatz wäre nicht möglich
ohne die Stimmen der FDP. Diese distanzieren sich damit ebenfalls von
ihrem Grundsatz auf Landesebene, Videoüberwachung nur „in Einzelfällen
und nur bei besonderen Gefahrenlagen“ zuzulassen, um individuelle
Freiheitsrechte der Bürger*innen zu schützen [9].
Vorreiter der Überwachung
Damit wird Darmstadt wohl eher zum Vorreiter der Überwachung und
Beschneidung der Freiheitsrechte statt zum Vorreiter in Sachen
Datenschutz, wie es der Ethik- und Technologiebeirat der Digitalstadt
als Ziel formuliert hat. In seinen „ethischen Leitplanken für die
Entwicklung Darmstadts zur Digitalstadt“ fordert der Beirat,
personenbezogene Daten so wenig wie möglich zu erfassen und
weiterzugeben [10]. Stattdessen entsteht durch die unverhältnismäßige
Videoüberwachung sogar eine Gefahr für Grundrechte und Privatsphäre der
Einzelnen, was nach den Richtlinien des Ethikbeirats explizit verhindert
werden sollte.
Insbesondere im Kontext der aktuellen, bundesweiten Debatten um
Videoüberwachung und Gesichtserkennung ist das Vorhaben, den Luisenplatz
als zentralen öffentlichen Raum ohne erkennbar besonderen
Gefahrenschwerpunkt vollständig und dauerhaft durch Kameras zu
überwachen, in höchstem Maße unverantwortlich. Das Vorhaben greift nicht
nur in fundamentale Grundrechte ein, sondern unterminiert die
Glaubwürdigkeit der Stadt Darmstadt hinsichtlich ethischer Leitlinien
und damit das Vertrauen in die Stadt nachhaltig.
[1]
https://www.chaos-darmstadt.de/2020/Kritischer-Stadtrundgang-zur-Videoueber…
[2] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4969/4210639
[3]
https://darmstadt.more-rubin1.de/beschluesse_details.php?vid=20191104100133…
[4]
https://www.chaos-darmstadt.de/2019/Hessentrojaner-landet-in-Karlsruhe.html
[5]
https://darmstadt.more-rubin1.de/beschluesse_details.php?vid=20191104100133…
[6]
https://edpb.europa.eu/our-work-tools/public-consultations/2019/guidelines-…
[7] https://www.gruene-darmstadt.de/downloads/Koa-Vertrag_final_20160606.pdf
[8]
https://www.gruene-hessen.de/partei/files/2018/09/Regierungsprogramm-2018-W…
[9] https://fdp-fraktion-hessen.de/meldung/videoueberwachung/
[10] https://www.digitalstadt-darmstadt.de/digitalstadt-darmstadt/beiraete/
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der gestrigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss, welche parallel
zu unserem kritischen Stadtrundgang stattfand, kamen einige brisante
Informationen zur Videoüberwachung des Luisenplatz ans Licht, wie uns
vom Abgeordneten Uli Franke mitgeteilt wurde (inoffizielle Protokoll
dankend im Anhang).
Ebenfalls möchten wir sie auf unsere weiteren Veranstaltungen diesen
Samstag und am kommenden Donnerstag vor der Sitzung der
Stadtverordnetenversammlung hinweisen (siehe auch Flyer im Anhang):
Samstag, 8.2.: Darmstadts erste Freiheit-statt-Angst-Demo
Treffpunkt: 14 Uhr vor dem Justus-Liebig-Haus
Donnerstag, 13.2.: Demo vor der Stadtverordnetenversammlung
Treffpunkt: 14 Uhr auf dem Luisenplatz
Kundgebung: 15:30 Uhr vor dem Justus-Liebig-Haus
Zu den Punkten aus dem Haupt- und Finanzausschuss
# Eingriff in die Versammlungsfreiheit
Das mögliche Vorhandensein einer "interne Aufzeichnungsfunktion", die es
unmöglich machen würde, die Videoüberwachung während Demonstrationen
wirksam zu deaktivieren, stellt einen tiefen Eingriff in die
Versammlungsfreiheit dar. Potenzielle Teilnehmer*innen einer
Demonstration könnten von dieser Aufzeichnung ihrer Demoteilnahme
abgeschreckt werden. Das Recht, ohne polizeiliche Erfassung zu
demonstrieren, ist ein sehr hohes Gut. Sollte tatsächlich kein Konzept
zur sicheren Abschaltung während Demonstrationen auf dem Luisenplatz
vorliegen, wäre dies ein Skandal. Auch der Verfassungsschutz muss dieses
grundrechtlich besonders geschützte Recht wahren und darf nicht in der
Lage sein, wie von Stadtkämmerer André Schellenberg in der Sitzung
bekanntgegeben, eine Aufzeichnung der Demonstration ohne Information der
Teilnehmenden zu veranlassen.
Eine einfache, aber effektive Möglichkeit zur Abschaltung wären
Abdeckungen, die gut sichtbar vor den Kameras angebracht werden.
# Polizeilicher Zugriff auf gespeicherte Daten
Warum bei Kapitaldelikten zum Zugriff auf das Bildmaterial ein
richterlicher Beschluss nötig ist, bei Bagatelldelikten jedoch nicht,
erschließt sich uns nicht.
# Automatisierte Gesichtserkennung
Eine Gesichtserkennung und automatisierte Videoanalysen, wie vom
Hersteller des Kamerasystems Dallmeier beworben, sei in Darmstadt nicht
geplant. Wie wir bereits kritisiert haben, schließt die aktuelle
Vorlage, über die am Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung
entschieden werden soll, die jedoch nicht explizit aus. Wir fürchten,
dass Pläne für eine spätere Einführung einer Gesichtserkennung
existieren könnten.
Bei Rückfragen erreichen Sie mich jederzeit per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer +49 152 31819842.
Gestrige Sitzung im Haupt- und Finanzausschuss
https://darmstadt.more-rubin1.de/sitzungen_top.php?sid=2020-HFA-160
Unsere letzte Pressemitteilung zum kritischen Stadtrundgang
https://www.chaos-darmstadt.de/2020/Kritischer-Stadtrundgang-zur-Videoueber…
Viele Grüße
Marco Holz
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Widerstand gegen die Installation einer Videoüberwachungsanlage mit
15 Kameras auf dem Luisenplatz konkretisiert sich.
Am vergangenen Mittwoch, den 29.1.2020 kamen in den Räumlichkeiten des
Chaos Computer Club Darmstadt mehr als 20 Organisationen zusammen, um
über ein gemeinsames Vorgehen zum organisierten Protest in den kommenden
zwei Wochen zu beraten.
Als erste Veranstaltung lädt das Bündnis nun für Donnerstag, den 06.02.
um 17 Uhr zu einem kritischen Stadtrundgang zum Thema ein. Treffpunkt
ist der Karolinenplatz südlich des Stadtarchivs. Der Stadtrundgang führt
durch den Herrngarten an der mobilen Videoüberwachungsanlage vorbei, die
den Bereich vor der Sucht- und Drogenhilfe Scentral des Diakonischen
Werkes überwacht. Es folgt eine Kundgebung an der Arkade der
Grundrechte. Denn insbesondere die geplante Videoüberwachung auf dem
Verkehrsknotenpunkt Luisenplatz, auf dem regelmäßig Demonstrationen und
Kundgebungen stattfinden, greift tief in diese fundamentalen Rechte ein,
auf denen unsere Demokratie fußt. Ziel des Stadtrundgangs ist der
Luisenplatz, wo die konkreten Pläne zur dort geplanten Videoüberwachung
im Mittelpunkt stehen.
Dort wird die geplante Überwachungstechnik zusätzlich zu den
Einmalkosten von rund 400.000 Euro Betriebs- und Folgekosten in
unbekannter Höhe verursachen – ohne dass ein konkreter Nutzen und eine
tatsächliche Notwendigkeit der Maßnahme ersichtlich sind. Zugunsten
einer herbeifantasierten „Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls“
gefährdet die Darmstädter Politik nicht nur die grundrechtlich
geschützte Versammlungsfreiheit, sondern schafft weitere technische
Überwachungskapazitäten und nimmt deren Missbrauch billigend in Kauf.
Erst im August letzten Jahres wurden Missbrauchsfälle in der Hessischen
Landespolizei bekannt, bei denen Beamte ihren dienstlichen Zugang zum
Polizei-Auskunfts-System POLAS immer wieder auch für private Auskünfte
genutzt hatten. So kam es auch zu missbräuchlichen Datenabfragen mit
rechtsextremem Hintergrund im Kontext des „NSU 2.0“, mit denen unter
anderem die türkischstämmige Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız
bedroht wurde [1]. Auch am gestrigen Dienstag wurden Fälle von
Datenmissbrauch bei der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern bekannt [2].
In der aktuellen Magistratsvorlage zur geplanten Videoüberwachung des
Luisenplatzes ist nicht einmal die Anmeldung mit einer individuellen
Nutzerkennung vorgeschrieben. Es fehlt ein Sicherheitskonzept. In der
Fachausschusssitzung am vergangenen Donnerstag wurde zudem bekannt, dass
die Sichtung des Videomaterials vom vorhandenen Personal ‚mitgemacht‘
werden solle. Man wolle in den Polizeidienststellen ‚einfach einen
weiteren Monitor aufstellen‘. „Mit dem aktuellen Nutzungskonzept ist die
Vorlage völlig untragbar. Die Videoüberwachung wird nicht zur
tatsächlichen Sicherheit auf dem Luisenplatz beitragen“, kritisiert
Tobias Kratz, Mitglied des Studierendenparlaments der TU Darmstadt.
Bereiche, die aus rechtlichen Gründen nicht aufgezeichnet werden dürfen
(z.B. Außengastronomie) sollen lediglich verpixelt werden. Unklar
bleibt, wie sichergestellt wird, dass diese Bilder nicht aufgezeichnet
und 10 Tage gespeichert werden, wie dies für das übliche Videomaterial
der Fall ist. „Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass eine
Rekonstruktion des Bildmaterials der Außengastronomiebereiche aus den
gespeicherten Aufzeichnungen möglich ist“, ergänzt Marco Holz vom Chaos
Computer Club Darmstadt.
Mit der Installation der Videoüberwachungsanlage soll die Firma
Dallmeier beauftragt werden. Laut einer Produktbroschüre des Herstellers
ist in der eingesetzten Software auch eine Gesichtserkennung eingebaut
[3]. Die Nutzung dieser umstrittenen Technologie wird in der
Magistratsvorlage nicht explizit ausgeschlossen. „Sofern keine
rechtlichen Regularien greifen, wird man in der Praxis sicherlich nicht
auf die Möglichkeit verzichten, Personen über einen Zeitraum von 10
Tagen wiederzuerkennen. Das ermöglicht die Erstellung von
Bewegungsprofilen aller Personen, die regelmäßig auf dem Luisenplatz
unterwegs sind“, warnt Cedric Shahabi vom Chaos Computer Club Darmstadt.
Wir bitten um eine zeitnahe Veröffentlichung. Wir haben ausgewählte
Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft eingeladen. Sie sind
herzlich eingeladen, auch von vor Ort zu berichten.
[1]
https://www.sueddeutsche.de/politik/polizei-hetze-hohn-bedrohung-1.4619327
[2]
https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Datenklau-Ermittlunge…
[3]
https://www.dallmeier.com/fileadmin/user_upload/PDFs/Industries/Safe_City/D…
Bei Rückfragen erreichen Sie mich jederzeit per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer +49 152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der heutigen Sitzung des Ausschusses für Sport und Gesundheit
(einschl. öffentliche Einrichtungen und Ordnungswesen) werden zum
Tagesordnungspunkt 2020/0013 „Videoüberwachung auf dem Luisenplatz“ auch
Vertreter des Studierendenparlaments der TU Darmstadt, des Chaos
Computer Club Darmstadt, sowie der Fachschaft Informatik der TU
Darmstadt erwartet. Ziel ist es, in der Stadtverordnetenversammlung am
13.02. eine Vertagung der Beschlussfassung der Pläne zu erwirken.
Donnerstag, 30.01.2020 - Beginn 17:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Sport und Gesundheit
Konferenzraum Troyes im Rathaus, Luisenplatz 5 A
https://darmstadt.more-rubin1.de/beschluesse_details.php?vid=20201001100012…
Wir bitten um Kenntnisnahme folgender Presseinformation und freuen uns
über ihre Teilnahme & Berichterstattung über den Verlauf der morgigen
Sitzung.
In Darmstadt formt sich Widerstand gegen die Installation einer
Videoüberwachungsanlage mit 15 Kameras auf dem Luisenplatz. Bereits
gestern Abend, am Mittwoch, dem 29.1.2020 kamen in den Räumlichkeiten
des Chaos Computer Club Darmstadt über 20 Organisationen zusammen, um
über ein gemeinsames Vorgehen zum organisierten Protest in den kommenden
zwei Wochen zu beraten. Erste Veranstaltungen sind bereits in der Planung.
„Während sich die Grünen auf Bundes- und Europaebene gerade für ein
generelles Verbot von automatisierter Gesichtserkennung stark machen,
üben sie in Darmstadt bisher keine Kritik“, zeigt sich Marco Holz vom
CCC Darmstadt verwundert und enttäuscht.
Im Herrngarten wird direkt neben der Sucht- und Drogenberatung der
Diakonie videoüberwacht. „Die Maßnahme schießt weit über ihr Ziel
hinaus. So werden nicht nur Passanten und Studierende der nahegelegenen
TU Darmstadt unter Generalverdacht gestellt, sondern sogar Suchtkranke
kriminalisiert. Die Polizei agiert mit repressiven Mitteln gegen
marginalisierte Menschen, statt die präventive Arbeit der Streetworker
zu unterstützen“, Tobias Huber, Referent des AStA der TU Darmstadt.
Ich verweise zum Thema auch auf unsere aktuelle Pressemitteilung zur
Videoüberwachung des Herrngarten:
https://www.chaos-darmstadt.de/2020/Offener-Brief-zur-Videoueberwachung-im-…
Die Pläne zur Videoüberwachung des Luisenplatzes haben wir u.a. bereits
im November 2016 mit einer Demonstration vor dem Justus-Liebig-Haus und
im letzten Jahr in einer Pressemitteilung kritisiert:
https://www.chaos-darmstadt.de/2019/Deja-vu-praeventive-Videoueberwachung-L…
Bei Rückfragen erreichen Sie mich jederzeit per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Polizeipräsidium Südhessen betreibt aktuell einen mobilen
Videoüberwachungsanhänger im Herrngarten am Ausgang
Schleiermacherstraße. Der Chaos Computer Club Darmstadt, das
Studierendenparlament der Technischen Universität Darmstadt, die
Datenschützer Rhein-Main, die Fachschaftenkonferenz der TU Darmstadt
sowie die Fachschaft Informatik an der TU Darmstadt kritisieren diese
Maßnahme in einem offenen Brief als unverhältnismäßig und nicht zielführend.
Nicht nur im Herrngarten wird videoüberwacht, auch die Pläne zur
Überwachung des Luisenplatzes schreiten trotz zivilgesellschaftlichem
Protest immer weiter voran. Am 13. Februar entscheidet die
Stadtverordnetenversammlung final über die Umsetzung der Pläne von
Bürgermeister Rafael Reißer. Siehe auch:
https://www.darmstadt.de/nachrichten/darmstadt-aktuell/news/x
Bei Rückfragen erreichen Sie mich jederzeit per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
= Offener Brief: Kritik an der Videoüberwachungsanlage im Herrngarten =
auch online verfügbar unter:
https://www.chaos-darmstadt.de/2020/Offener-Brief-zur-Videoueberwachung-im-…
An den Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Südhessen, Herrn
Bernhard Lammel,
An den Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt, Herrn Jochen Partsch,
An die Mitglieder des Ausschusses für Sport und Gesundheit (einschl.
öffentliche Einrichtungen und Ordnungswesen),
An die Landtagsfraktionen des Hessischen Landtags,
An die Mitglieder des Innenausschusses im Hessischen Landtag,
An den Innenminister des Landes Hessen, Herrn Peter Beuth,
An den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit,
Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch,
das Polizeipräsidium Südhessen hat am 15. Januar eine mobile
Videoüberwachungsanlage im Herrngarten im Bereich des Zugangs von der
Schleiermacherstraße (nähe Willy-Brandt-Platz) installiert. Der Chaos
Computer Club Darmstadt, das Studierendenparlament der Technischen
Universität Darmstadt, die Datenschützer Rhein-Main, die
Fachschaftenkonferenz der TU Darmstadt sowie die Fachschaft Informatik
an der TU Darmstadt kritisieren diese Maßnahme als unverhältnismäßig und
nicht zielführend.
Von der Videoüberwachung sind naturgemäß nicht nur die von der Polizei
verdächtigten Personengruppen betroffen, sondern alle Passant*innen.
Aufgrund der besonders exponierten Lage mit viel Personenverkehr
zwischen der Straßenbahnhaltestelle Willy-Brandt-Platz und dem Campus
Stadtmitte der TU Darmstadt betrifft die Maßnahme in besonderem Maße
auch Studierende.
Nach Angaben des Polizeipräsidiums Südhessen diene der mobile
Videoüberwachungsanhänger der Gefahrenabwehr [1]. Man wolle mit dieser
Maßnahme „die allgemein bekannte Drogenproblematik im Bereich des
Rondells und die damit verbundenen Begleiterscheinungen“ in den Griff
bekommen. Diese Begründung erscheint aufgrund der unmittelbaren Nähe zur
Sucht- und Drogenhilfe des Diakonischen Werkes diskussionsbedürftig.
Das Polizeipräsidium spricht auf Twitter von einer „abschreckende[n]
Wirkung auf potentielle Straftäter“ [2]. Eine solche Abschreckung bleibt
aber leider Wunschdenken und konnte wissenschaftlich bisher nicht belegt
werden [3]. Im besten Falle treten Verlagerungseffekte auf andere Orte
auf. Jedes Video, auf dem eine Gewalttat zu sehen ist, beweist, dass
Überwachung keine Gewalttaten verhindert.
Warum eine mobile Videoüberwachungsanlage in Sichtweite zum 150m
entfernten Ersten Polizeirevier als geeignetes Mittel angesehen wird,
ist völlig unersichtlich. Es entsteht der Eindruck, die Polizei
Südhessen nutze die Örtlichkeiten zur Erprobung ihrer neu angeschafften
Hardware. Genauso wie im Falle der umstrittenen Pläne zur
Videoüberwachung des Luisenplatzes [4] erschließt sich auch hier nicht,
warum eine Überwachung mit technischen Mitteln einer tatsächlichen
Polizeipräsenz vor Ort vorgezogen wird.
Möglich wird diese Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch die
Änderungen im Hessischen Polizeigesetz (HSOG) im Rahmen der
Verfassungsschutzreform im Jahr 2018 [5]. Die zuvor nötige Einstufung
des zu überwachenden Ortes als „Gefahrenschwerpunkt“ ist seitdem nicht
mehr nötig. Dies erlaubt das Aufstellen von Videoüberwachungstechnik
auch an weniger gefährdeten Orten. Gegen die massiven
Grundrechtseingriffe durch die Reform formte sich bereits 2018 Protest
in einem breiten Bündnis [6]. Auch das Bundesverfassungsgericht
beschäftigt sich nun [7] mit dem Hessischen Verfassungsschutzgesetz und
dem Hessischen Polizeigesetz.
Wir sind besorgt über den Trend, Videoüberwachung als Allheilmittel für
mehr Sicherheit zu sehen und kritisieren die geringen Hürden zur
Aufstellung eines Videoüberwachungsanhängers. Vor dem Hintergrund dieser
unverhältnismäßigen Überwachung des öffentlichen Raumes, fordern wir den
sofortigen Abbau der mobilen Videoüberwachungsanlage im Herrngarten!
[1] https://k.polizei.hessen.de/1703913386
[2] https://twitter.com/Polizei_SuedHE/status/1217460380617842688
[3] https://digitalcourage.de/videoueberwachung/materialsammlung
[4]
https://www.chaos-darmstadt.de/2019/Deja-vu-praeventive-Videoueberwachung-L…
[5]
https://www.chaos-darmstadt.de/2017/Kritik-Verfassungsschutzgesetz-und-HSOG…
[6] https://www.chaos-darmstadt.de/2018/offener-brief-freiheitsrechte.html
[7]
https://www.chaos-darmstadt.de/2019/Hessentrojaner-landet-in-Karlsruhe.html
Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf den Beschluss der Darmstädter
Stadtverordnetenversammlung möchte ich Sie über unsere Pressemitteilung
zur Videoüberwachung des Luisenplatzes hinweisen.
Kurz zusammengefasst:
Schwarz-Grün hat die „präventive Videoüberwachung“ des Darmstädter
Luisenplatzes beschlossen. Damit wollen Grüne und CDU das „subjektive
Sicherheitsgefühl“ der Bevölkerung steigern. Wir, der CCC Darmstadt, die
Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main und das Bündnis
Demokratie statt Überwachung kritisieren die Pläne als nicht
zielführenden Eingriff in die Privatsphäre tausender Darmstädter.
Bei Rückfragen erreichen Sie mich per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
Titel: Deja-vú? CDU und Grüne machen sich stark für Überwachung und
planen erneut die „präventive Videoüberwachung“ des
„Gefahrenschwerpunktes“ Luisenplatz
Geneinsame Pressemitteilung des Chaos Computer Club Darmstadt, der
Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main und des Bündnisses
Demokratie statt Überwachung
Nächster Anlauf für die Totalüberwachung des Luisenplatzes: Die
Stadtverordnetenversammlung hat erneut eine „präventive
Videoüberwachung“ des Luisenplatzes beschlossen und begründet dies mit
der neu geschaffenen Rechtsgrundlage im Hessischen Polizeigesetz. Ein
entsprechender Magistrats-Beschluss wurde in der
Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen,
CDU, AfD und FDP angenommen. Gegen den Beschluss stimmten die Fraktionen
von SPD, UFFBASSE, Die Linke, UWIGA sowie die Stadtverordnete Stricker
(Piratenpartei). [1]
Das Thema ist nicht neu: Bereits Ende 2016 hatten wir gegen die
Veranschlagung von 50.000 Euro im Haushalt der Stadt Darmstadt für die
geplante Überwachung des Luisenplatzes demonstriert. [2]
Der Magistrat argumentiert nun zur Geeignetheit der Maßnahme, Personen
mit der Absicht eine entsprechende Straftat zu begehen, würden durch die
Existenz einer Videoüberwachungsanlage naturgemäß davon abgehalten,
diese Straftaten tatsächlich zu begehen. Ob diese präventive Wirkung
tatsächlich gegeben ist, ist äußerst umstritten. „Ein
Abschreckungseffekt durch Polizeibeamte vor Ort wäre jedenfalls
sicherlich höher als durch Videoüberwachung. Am Luisenplatz hängen
ohnehin bereits Kameras der Verkehrsbetriebe, die offenbar absolut nicht
abschrecken“, kommentiert Marco Holz vom Chaos Computer Club Darmstadt.
Die Notwendigkeit der Videoüberwachung trotz der Existenz der neuen
Stadtwache der Kommunalpolizei direkt am Luisenplatz konstruiert die
Stadt über die Behauptung, Videokameras an erhöhten Positionen würden
einen deutlich besseren Überblick schaffen als Einsatzkräfte vor Ort.
Eine kurzfristige Intervention beim Erkennen von entstehenden
Gefahrenlagen ist allerdings nur bei ständiger Live-Sichtung des
Videomaterials möglich. Aufgrund der nachlassenden Aufmerksamkeitsspanne
beim Sichten der Bilder fordert dies mehr als eine Person. Ob so
wirklich an Personal gespart werden kann und ob durch diese Maßnahme die
Sicherheit auf dem Luisenplatz erhöht werden kann, ist fraglich.
Eine Vielzahl an Videokameras, insbesondere an häufig frequentierten
Orten, ermöglicht weitgehende und automatisierte
Überwachungsmöglichkeiten einzelner Bürger*innen und trägt nicht zu
einer tatsächlichen Steigerung der Sicherheit bei. „Die Erstellung von
Bewegungsprofilen auf Basis von Videomaterial verschiedener Orte ist mit
heutigen technischen Möglichkeiten umsetzbar und gefährlich“, erläutert
Ian Bierlich vom CCC Darmstadt.
Dass es bei der Maßnahme tatsächlich um die Erhöhung der Sicherheit auf
dem Luisenplatz geht, scheint Zweifelhaft. Vielmehr geht es um ein
Gefühl von Sicherheit. Polizeipräsident Lammel erklärt gegenüber Echo
Online: „Die gefühlte Sicherheit der Menschen steht leider oft in keinem
Verhältnis zu den objektiven Zahlen“ und spricht von „Angsträumen“. Der
Magistratsvorlage zufolge stärke eine Videoüberwachung das „subjektive
Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“. Für mehr „gefühlte Sicherheit“
werden die Videokameras allerdings nicht sorgen. Vielmehr suggeriert
eine Kamera: Wo Videoüberwachung nötig ist, muss Kriminalität hoch sein.
Das verunsichert Menschen, statt ihnen Sicherheit zu vermitteln.
Die Stadt selbst trägt mit dem Beschluss jedenfalls nicht dazu bei, das
subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen: Sie benennt den Luisenplatz in
der Vorlage des Magistrats als „bevorzugtes Anschlagsziel von
Terroristen“. Der Verein Digitalcourage kommentiert dazu auf Twitter
[3]: „Darmstadt […] halluziniert eine Terrorgefahr herbei, um
Videoüberwachung auf einem öffentlichen Platz zu rechtfertigen.“
Begründet wird die rechtliche Legitimation des Beschlusses mit der im
Juni 2018 in Kraft getretenen Änderung des Hessischen Polizeigesetzes
(Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, HSOG).
Dort wurde für die Polizei- und Gefahrenabwehrbehörden eine neue
Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung öffentlicher Plätze bei
„drohender Gefahr“ geschaffen. Gegen die Reform des Polizeigesetzes und
des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes richten sich auch die
Verfassungsbeschwerden der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in
Kooperation mit der Humanistischen Union, den Datenschützern Rhein Main
und dem Forum Informatiker_innen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung [4] sowie die parallele Verfassungsbeschwerde der
Piratenpartei Hessen [5].
Die Kosten der geplanten Videoüberwachung des Luisenplatz „lassen sich
derzeit nur schätzen“. Man rechne mit ca. 150.000 EUR, wovon 2/3 über
eine Förderung vom Land und 1/3 von der Stadt selbst finanziert werden
würden.
Der Chaos Computer Club Darmstadt, die Bürgerrechtsgruppe
dieDatenschützer Rhein Main und das Bündnis Demokratie statt Überwachung
fordern Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP auf, die Pläne zur Einführung
einer „präventiven Videoüberwachung“ ein für alle Mal einzustampfen. Der
vermeintlichen Erhöhung der Sicherheit stehen tiefe Eingriffe in die
Persönlichkeitsrechte tausender Darmstädter Einwohner*innen entgegen.
[1]
https://darmstadt.more-rubin1.de/beschluesse_details.php?vid=20191104100133…
[2]
https://www.chaos-darmstadt.de/2017/pressemitteilung-videoüberwachung.html
[3] https://twitter.com/digitalcourage/status/1140918140093775872
[4] https://freiheitsrechte.org/pm-vb-hessen/
[5]
https://www.piratenpartei-hessen.de/blog/2019/06/27/piraten-reichen-verfass…
Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf die heutige Pressekonferenz im Hessischen Landtag
(Verfassungsbeschwerde gegen Hess. Verfassungsschutz- & Polizeigesetz),
möchte ich Sie auf unsere Pressemitteilung zum Thema aufmerksam machen.
Kurz zusammengefasst:
Gleich zwei Verfassungsbeschwerden gegen das im vergangenen Jahr
beschlossene Verfassungsschutzgesetz & Polizeigesetz in Hessen, insb.
gegen die Einführung von Staatstrojaner (Online-Durchsuchung) für die
Polizei und Analysesoftware „Hessendata“. Der CCC hält die Bedenken zur
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes für gerechtfertigt und weist auf das
hohe Missbrauchspotenzial sowie die Gefahren für die IT-Sicherheit hin.
Heute sind zwei weitere Verfassungsbeschwerden gegen Staatstrojaner in
Karlsruhe eingereicht worden. Die Verfassungskonformität der Regelungen
für den sogenannten Hessentrojaner, aber auch die unumgänglichem
technischen Gefahren hatten der Chaos Computer Club (CCC) sowie
zahlreiche weitere Sachverständige bereits während der Anhörung im
Landtag betont. Das staatliche Hacken gefährdet die innere Sicherheit.
Die Experimente mit staatlicher Schadsoftware müssen endlich beendet werden.
Zu den bereits in Karlsruhe eingereichten Verfassungsbeschwerden aus
anderen Bundesländern sowie gegen die Änderung der Strafprozessordnung
im Bund gesellen sich nun noch zwei Beschwerden aus Hessen, um die
unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe und Sicherheitsgefährdungen
durch Staatstrojaner einzudämmen. Die Verfassungsbeschwerden richten
sich gegen die im vergangenen Jahr beschlossenen Gesetzesnovellierungen
bei den hessischen Verfassungsschutz- und Polizeigesetzen.
Darin wurden nicht nur weitreichende Änderungen im Hessischen
Verfassungsschutzgesetz (HVSG) vorgenommen, sondern auch mit einem
kurzfristig – zwei Wochen vor der Beschlussfassung im Hessischen Landtag
– eingereichten 45-seitigen Änderungsantrag das hessische Polizeigesetz
(Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, HSOG)
reformiert. Damit machte die Koalition aus CDU und Grünen eine
parlamentarische Auseinandersetzung mit den weitreichenden Änderungen im
Polizeigesetz und auch eine öffentliche Debatte unmöglich.
Heute legen sowohl die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in
Kooperation mit der Humanistischen Union (HU), den Datenschützern Rhein
Main (dDRM) und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung (FifF) als auch mit einer zweiten
Beschwerdeschrift die Piratenpartei Hessen gegen das Gesetz
Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe ein.
Die GFF kritisiert in der Beschwerdeschrift die Legitimation zum Einsatz
des Staatstrojaners sowie die neu geschaffene rechtliche Grundlage für
die Nutzung der Software „Hessendata“ des umstrittenen US-Unternehmens
Palantir zur Auswertung von Daten aus zahlreichen Polizeidatenbanken und
sozialen Netzwerken. Sarah Lincoln von der GFF sieht in der Einführung
des Hessentrojaners und der Big-Data-Analysesoftware Hessendata einen
Angriff auf die Freiheitsrechte. Zudem kritisiert die GFF die mit der
Reform des Verfassungsschutzgesetzes eingeführten Änderungen zum
weitreichenden Einsatz von verdeckten Ermittlern, der Ortung von
Mobilfunkgeräten und der Überwachung von Reiserouten.
Die Piratenpartei fokussiert sich in ihrer Beschwerdeschrift auf die
Einführung von Quellen-Telekommunikationsüberwachung und
Online-Durchsuchung mittels Staatstrojaner als Einsatzmittel für die
Polizei. Sie bemängelt die Verfassungswidrigkeit der beschlossenen
Regelungen, denn diese widersprächen dem Grundrecht auf Gewährleistung
der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme
(IT-Grundrecht).
Bereits in der Stellungnahme an den Hessischen Landtag
[https://www.ccc.de/system/uploads/252/original/CCC-staatstrojaner-hessen.pdf]
wies der CCC auf die allgemeine Gefährdung für die IT-Sicherheit durch
den Einsatz von Staatstrojanern hin. An dieser Einschätzung hat sich
nichts geändert: „Spionagesoftware benötigt eine Schwachstelle im
angegriffenen Computersystem, die vom Besitzer des Systems nicht
geschlossen wurde und daher heimlich genutzt werden kann. […] Staatliche
Schadsoftware unterminiert die IT-Sicherheit damit strukturell, da ihre
Entwicklung die Anreize dafür setzt, Sicherheitslücken anzubieten, zu
verkaufen und nicht schließen zu lassen. […] Eine verantwortungsvolle
IT-Sicherheitspolitik zielt auf die Schließung von Lücken ab, statt sich
noch an der fragwürdigen Praxis des Handels mit Schwachstellen zu
beteiligen.“
Der Staat verletzt seine Schutzpflichten gegenüber den IT-Systemen
seiner Bürger, wenn er Sicherheitslücken ankauft und absichtlich
offenhält. Damit handelt er entgegen dem 2008 vom
Bundesverfassungsgericht definierten Grundrecht auf Gewährleistung der
Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Wenn die
hessische Landesregierung diesen Handel mit Schwachstellen legitimiert,
handelt sie nicht nur verfassungswidrig, sondern gegen ihre eigenen
Sicherheitsinteressen.
Zudem besteht beim Vorhalten eines Staatstrojaners ein enormes
Missbrauchspotenzial. Öffentlich bekannt wurde der Missbrauch und die
Zweckentfremdung von staatlicher Überwachungssoftware unter anderem bei
den Geheimdiensten NSA und BND
[https://www.reuters.com/article/us-usa-surveil-lance-watchdog/nsa-staff-use…,
https://www.berliner-zeitung.de/bka-reform---das-bundeskriminalamt-soll-per…]
durch jeweils unrechtmäßige private Zweckentfremdung zur Aufdeckung von
Liebes-Affären sowie im als „Patras-Affäre“ bekanntgewordenen Fall der
Frankfurter Bundespolizei.
[http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,807820,00.html]
„Staatstrojaner bieten aufgrund technisch unausweichlicher Gegebenheiten
zudem immer auch die Möglichkeit, vonseiten der Stafverfolgungsbehörde
manipulierte Daten oder gefälschte Beweise in IT-Systemen
einzuschleusen“, gibt Magnus Frühling vom Chaos Computer Club Frankfurt
zu bedenken. Damit vermindert sich die Beweiskraft der so erlangten
Daten erheblich, egal ob die Manipulation absichtlich oder wegen
fehlerhafter Software passierte.
„Millionen internetfähige Geräte sind in ihrer Sicherheit bedroht, wenn
der Staat Sicherheitslücken in weit verbreiteten Systemen ausnutzt und
sogar Informationen über diese Lücken ankauft. Es ist überhaupt nicht
miteinander vereinbar, dass der Staat einerseits Sicherheitslücken
offenhält, um Staatstrojaner einzusetzen, andererseits aber verpflichtet
wäre, Schutzpflichten für IT-Systeme zu wahren“, kommentiert Marco Holz
vom CCC Darmstadt.
Auf der Webseite hessentrojaner.de haben wir weitere Informationen zu
Funktionsweise und Problematik von Staatstrojanern zusammengetragen. Die
Tatsache, dass innerhalb weniger Jahre in immer mehr Bundes- und
Landesgesetzen die Befugnis zum staatlichen Hacken eingeführt wurde,
gefährdet die innere Sicherheit mehr als es ihr nutzt. Der CCC setzt
sich weiterhin dafür ein, den Irrweg des staatlichen Hackens zu verlassen.
Links:
Pressemitteilung der GFF:
https://freiheitsrechte.org/polizeigesetz-hessen/
Pressemitteilung der Piratenpartei:
https://www.piratenpartei-hessen.de/blog/2019/06/27/piraten-reichen-verfass…
Vorgang im Landtagsinformationssystem:
http://starweb.hessen.de/starweb/LIS/servlet.starweb?path=LIS/PdPi_FLMore19…
CCC-Stellungnahme im hessischen Landtag:
https://www.ccc.de/system/uploads/252/original/CCC-staatstrojaner-hessen.pdf
Weitere Beiträge, gemeinsame Erklärungen und Pressemitteilungen des CCC
zum Thema:
6 November 2017: Geplanter Staatstrojaner in Hessen gefährdet
IT-Sicherheit weltweit
https://www.ccc.de/de/updates/2017/hessentrojaner
20. November 2017: Hessischer Staatstrojaner vor dem Aus? - Grüne
Landtagsfraktion unter Zugzwang
https://www.chaos-darmstadt.de/2017/Hessentrojaner-Update.html
22. Dezember 2017: Gemeinsame Erklärung: Geplante Verschärfungen des
hessischen Verfassungsschutzgesetzes schädigen Demokratie und Grundrechte
https://www.chaos-darmstadt.de/2017/Gemeinsame-Erklaerung-zum-Verfassungsch…
6. Februar 2018: CCC-Stellungnahme: Kein Hessentrojaner für den Geheimdienst
https://www.ccc.de/de/updates/2018/stellungnahme-hessentrojaner
25. Mai 2018: Kein Hessentrojaner für den Geheimdienst, aber für die Polizei
https://www.ccc.de/de/updates/2018/hessentrojaner-polizei
6. Juli 2018: Heftige Kritik am Vorgehen von Schwarz-Grün zur Reform des
Verfassungsschutzgesetzes und des Polizeigesetzes in Hessen
https://www.chaos-darmstadt.de/2018/Kritik-Verfassungsschutzgesetz-und-HSOG…
18. November 2018: Offener Brief von 36 Organisationen und
Privatpersonen an die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Hessen
https://www.chaos-darmstadt.de/2018/offener-brief-freiheitsrechte.html
Bei Fragen erreichen Sie mich unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
Chaos Computer Club Darmstadt e.V.
Wilhelminenstraße 17
64283 Darmstadt
Pressemitteilung
15 Bürgerrechtsorganisationen appellieren aus Anlass der
Koalitionsverhandlungen mit der CDU an die Landtagsfraktion der Grünen:
- Grundrechte und Demokratie schützen;
- Verschärfungen der Polizei- und Verfassungsschutzgesetze zurücknehmen;
- Informationsfreiheitsgesetz verbessern.
In einem Offenen Brief haben 15 Bürgerrechtsorganisationen am 19.11.2018
gemeinsam an die Landtagsfraktion der Grünen appelliert "die in der
vergangenen Legislaturperiode beschlossenen Verschärfungen zu Lasten der
Bürger*innenrechte im Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz und im
Hessischen Verfassungsschutzgesetz einer Überprüfung hinsichtlich
Wirksamkeit und Verträglichkeit mit Demokratie und Grundrechten zu
unterziehen und [...] sollten die Maßnahmen sich darin als untauglich
oder demokratiefeindlich erweisen [...] die Verschärfungen vollständig
rückgängig zu machen!"
Im Offenen Brief wird gegenüber der Grünen Landtagsfraktion zudem
angeregt, "dass Sie die Initiative dafür ergreifen, das Hessische
Informationsfreiheitsgesetz in der kommenden Legislaturperiode zu einem
Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild weiter zu entwickeln."
Der Offenen Brief ist unterzeichnet von
Attac Regionalgruppe Rüsselsheim und Umgebung
Bündnis „Demokratie statt Überwachung“ Darmstadt
Bündnis gegen Berufsverbote Hessen
Chaos Computer Club Darmstadt, stellvertretend für das Bündnis
hessentrojaner.de der Hessischen Erfahrungsaustauschkreise und
Chaostreffs des CCC
Chaos Computer Club Frankfurt
dieDatenschützer Rhein Main
Digitalcourage e. V.
Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung (FIfF) e. V.
Humanistische Union Hessen
Humanistische Union Marburg
Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Marburger Initiative gegen den Überwachungsstaat (MIgÜSt)
Piratenpartei Deutschland, Landesverband Hessen
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Frankfurt
Der Offene Brief ist im Wortlaut abrufbar unter:
https://www.chaos-darmstadt.de/2018/offener-brief-freiheitsrechte.html
Viele Grüße
Marco Holz
Tel. 0152 31819842
Chaos Computer Club Darmstadt e.V.
Wilhelminenstraße 17
64283 Darmstadt
Sehr geehrte Damen und Herren,
zwei Wochen nach der Beschlussfassung des Landtages wird die Kritik an
der Reform des Hess. Verfassungsschutzgesetzes noch einmal laut. Im
„Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen“ wurden
neben dem Verfassungsschutzgesetz auch das Hessische Gesetz über die
Sicherheit und Ordnung (HSOG) sowie das Hessische Ausführungsgesetz zum
Artikel 10-Gesetz geändert [1].
Die insgesamt 29 Änderungen im HSOG beinhalten auch die Legitimation des
Einsatzes eines Staatstrojaners zum Zwecke der Online-Durchsuchung. Der
Hessentrojaner kommt nun also nicht für das Landesamt für
Verfassungsschutz, sondern für die Polizei. „An unserer Kritik hat sich
seit dem ersten Gesetzesentwurf nichts geändert. Der CCC lehnt das
Vorhalten und den Einsatz von staatlicher Spionagesoftware weiterhin
entschieden ab“, so Marco Holz vom CCC Darmstadt.
Kritikwürdig ist neben den vielen inhaltlichen Schwächen der
Gesetzesreformen auch das Vorgehen der schwarz-grünen Koalition. Die
jüngsten Änderungen im HSOG wurden innerhalb von einer Woche in zweiter
und dritter Lesung im Hessischen Landtag beschlossen. Diese Änderungen
des Polizeigesetzes waren in der ursprünglichen Form des
Gesetzesentwurfs nicht vorhanden und sind erst 2 Wochen vor der zweiten
Lesung in den Gesetzgebungsprozess eingebracht worden. Innenminister
Peter Beuth äußerte sich dagegen im Landtag gegenteilig: „Das
Polizeirecht war bereits Gegenstand der Anhörung. Die Maßnahmen waren in
dem Gesetzgebungspaket bereits im Oktober letzten Jahres enthalten und
sind damit keine Neuerungen“. Er unterschlägt damit allerdings den erst
Monate nach der Anhörung eingebrachten Änderungsantrag auf 45 Seiten mit
29 zusätzlichen Änderungen am HSOG.
Kurz vor der Landtagswahl wurde zudem die bestehende Kritik aus der
Anhörung nicht ausgeräumt. Alexander Bauer (CDU) gab in der dritten
Lesung im Landtag zu Protokoll, schon im ursprünglichen Gesetzesentwurf,
der schon längere Zeit vorliegt, habe es bereits Änderungen zum
Polizeigesetz HSOG gegeben, die von den Betroffenen in der umfangreichen
Anhörung bewertet würden. Er zitiert im Landtag die
Polizeigewerkschaften als Befürworter des Gesetzes in der Anhörung,
stellt aber die massive Kritik anderer Sachverständiger an den
Gesetzesentwürfen kaum dar. Bauer bleibt daher auch eine Begründung
schuldig, warum eine erneute Anhörung zu den kurzfristig eingefügten,
weitreichenden Änderungen nicht nötig sei. Innenminister Peter Beuth
(CDU) erklärt dazu lediglich, man habe ein Verfassungsschutzgesetz
erarbeitet, dass die aktuelle Rechtsprechung berücksichtige. Die in der
Anhörung und den Beratungen angebrachte fachliche Kritik habe sich damit
aufgelöst, so Beuth.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt die Änderungen zwar
inhaltlich, äußert aber ebenfalls Kritik an dem Vorgehen, das
Polizeigesetz ohne Anhörung der Betroffenen im Eiltempo durch den
Landtag zu winken. Auch innerhalb der Grünen Partei war das
Maßnahmenpaket nicht unumstritten. Sowohl auf dem Landesparteitag im
November letzten Jahres in Hanau, als auch auf dem Parteitag der Grünen
in Wiesbaden im Juni diesen Jahres, sprach sich die Grüne Basis durch
entsprechende Beschlüsse gegen die Einführung von Quellen-TKÜ und
Online-Durchsuchung aus.
Jürgen Frömmrich, Innenpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion
hält die nun verabschiedeten Gesetzesänderungen hingegen für einen
„guten Kompromiss“. Er versichert laut einem Bericht der Frankfurter
Rundschau vom 5. Juli 2018 [2], dass Sicherheitslöcher im Netz zu diesem
Zwecke nicht offengehalten würden. Eine entsprechende Regelung im
verabschiedeten Gesetzesentwurf fehlt dazu allerdings vollständig.
Diesen Umstand hatte der CCC bereits in seiner Stellungnahme scharf
kritisiert [3]. „Der Normalfall wird nicht sein, dass eine
Sicherheitslücke genutzt wird. Der Normalfall wird sein, dass die
entsprechenden Personen die Software unbewusst selbst installieren.
Jeder Bürger weiß, wie leicht das passieren kann, wenn man einen Anhang
öffnet, den man nicht öffnen sollte“, so Frömmrich. Auch hier zeigt sich
eindrucksvoll, wie wichtig eine weitere Anhörung im Hessischen Landtag
gewesen wäre. „Ein Trojaner, der sich beispielsweise als PDF-Datei in
einem Mailanhang versteckt, kommt ebenfalls nicht ohne auf dem genutzten
Betriebssystem ausnutzbare Sicherheitslücken aus. Um das System zu
infizieren, müssten in diesem Fall Schwachstellen im PDF-Betrachter
aktiv ausgenutzt werden“, erläutert Magnus Frühling vom CCC Frankfurt
den technischen Sachverhalt.
Auch die Bedenken der Opposition wurden im finalen Gesetzestext nicht
aufgegriffen. Nancy Faser (SPD) kritisierte in der dritten Lesung im
Landtag nochmals die weiterhin mangelhaft umgesetzte parlamentarische
Kontrolle und fordert, dass alle Fraktionen in der parlamentarischen
Kontrollkommission vertreten sind (aktuell sind FDP und Linke dort nicht
vertreten). Auch der bereits von der FDP geforderte Whistleblowerschutz
und die Möglichkeit für Mitarbeiter des Landesamtes für
Verfassungsschutz, sich direkt an parlamentarische Kontrollkommission
wenden können, fehlen im finalen Gesetz. Hermann Schaus (Die Linke)
spricht von einer „knallharten Einschränkung der Kontrollrechte des
Parlamentes“, kritisiert die Einschränkungen der Kontrolle durch die G
10-Kommission und beantragt in dritter Lesung eine namentliche
Abstimmung. Bisher war die Kontrolle der Erhebung, Verarbeitung und
Nutzung der Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz Aufgabe der
G 10-Kommission. Zukünftig wird lediglich die Verarbeitung der Daten
Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle sein.
Obwohl die SPD die Forderungen der Koalition zwar grundlegend
befürwortet, wolle man den Gesetzgebungsvorgang rechtlich prüfen lassen.
Auch Die Linke hatte bereits angekündigt, eine rechtliche Prüfung
einleiten zu wollen.
Eine Rechtfertigung von CDU und Grünen, warum die weitreichenden
Änderungen im HSOG kurz vor der Landtagswahl ohne weitere Anhörung
beschlossen werden mussten, nachdem man sich zuvor mit der Reform des
Verfassungsschutzgesetzes vier Jahre Zeit gelassen hatte, bleibt
weiterhin aus.
[1] http://starweb.hessen.de/cache/DRS/19/7/06527.pdf
[2]
http://www.fr.de/rhein-main/landespolitik/hessentrojaner-das-betrifft-nicht…
[3] https://www.ccc.de/de/updates/2018/stellungnahme-hessentrojaner
Viele Grüße
Marco Holz
Tel. 0152 31819842
Chaos Computer Club Darmstadt e.V.
Wilhelminenstraße 17
64283 Darmstadt