Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf den Beschluss der Darmstädter
Stadtverordnetenversammlung möchte ich Sie über unsere Pressemitteilung
zur Videoüberwachung des Luisenplatzes hinweisen.
Kurz zusammengefasst:
Schwarz-Grün hat die „präventive Videoüberwachung“ des Darmstädter
Luisenplatzes beschlossen. Damit wollen Grüne und CDU das „subjektive
Sicherheitsgefühl“ der Bevölkerung steigern. Wir, der CCC Darmstadt, die
Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main und das Bündnis
Demokratie statt Überwachung kritisieren die Pläne als nicht
zielführenden Eingriff in die Privatsphäre tausender Darmstädter.
Bei Rückfragen erreichen Sie mich per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
Titel: Deja-vú? CDU und Grüne machen sich stark für Überwachung und
planen erneut die „präventive Videoüberwachung“ des
„Gefahrenschwerpunktes“ Luisenplatz
Geneinsame Pressemitteilung des Chaos Computer Club Darmstadt, der
Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main und des Bündnisses
Demokratie statt Überwachung
Nächster Anlauf für die Totalüberwachung des Luisenplatzes: Die
Stadtverordnetenversammlung hat erneut eine „präventive
Videoüberwachung“ des Luisenplatzes beschlossen und begründet dies mit
der neu geschaffenen Rechtsgrundlage im Hessischen Polizeigesetz. Ein
entsprechender Magistrats-Beschluss wurde in der
Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen,
CDU, AfD und FDP angenommen. Gegen den Beschluss stimmten die Fraktionen
von SPD, UFFBASSE, Die Linke, UWIGA sowie die Stadtverordnete Stricker
(Piratenpartei). [1]
Das Thema ist nicht neu: Bereits Ende 2016 hatten wir gegen die
Veranschlagung von 50.000 Euro im Haushalt der Stadt Darmstadt für die
geplante Überwachung des Luisenplatzes demonstriert. [2]
Der Magistrat argumentiert nun zur Geeignetheit der Maßnahme, Personen
mit der Absicht eine entsprechende Straftat zu begehen, würden durch die
Existenz einer Videoüberwachungsanlage naturgemäß davon abgehalten,
diese Straftaten tatsächlich zu begehen. Ob diese präventive Wirkung
tatsächlich gegeben ist, ist äußerst umstritten. „Ein
Abschreckungseffekt durch Polizeibeamte vor Ort wäre jedenfalls
sicherlich höher als durch Videoüberwachung. Am Luisenplatz hängen
ohnehin bereits Kameras der Verkehrsbetriebe, die offenbar absolut nicht
abschrecken“, kommentiert Marco Holz vom Chaos Computer Club Darmstadt.
Die Notwendigkeit der Videoüberwachung trotz der Existenz der neuen
Stadtwache der Kommunalpolizei direkt am Luisenplatz konstruiert die
Stadt über die Behauptung, Videokameras an erhöhten Positionen würden
einen deutlich besseren Überblick schaffen als Einsatzkräfte vor Ort.
Eine kurzfristige Intervention beim Erkennen von entstehenden
Gefahrenlagen ist allerdings nur bei ständiger Live-Sichtung des
Videomaterials möglich. Aufgrund der nachlassenden Aufmerksamkeitsspanne
beim Sichten der Bilder fordert dies mehr als eine Person. Ob so
wirklich an Personal gespart werden kann und ob durch diese Maßnahme die
Sicherheit auf dem Luisenplatz erhöht werden kann, ist fraglich.
Eine Vielzahl an Videokameras, insbesondere an häufig frequentierten
Orten, ermöglicht weitgehende und automatisierte
Überwachungsmöglichkeiten einzelner Bürger*innen und trägt nicht zu
einer tatsächlichen Steigerung der Sicherheit bei. „Die Erstellung von
Bewegungsprofilen auf Basis von Videomaterial verschiedener Orte ist mit
heutigen technischen Möglichkeiten umsetzbar und gefährlich“, erläutert
Ian Bierlich vom CCC Darmstadt.
Dass es bei der Maßnahme tatsächlich um die Erhöhung der Sicherheit auf
dem Luisenplatz geht, scheint Zweifelhaft. Vielmehr geht es um ein
Gefühl von Sicherheit. Polizeipräsident Lammel erklärt gegenüber Echo
Online: „Die gefühlte Sicherheit der Menschen steht leider oft in keinem
Verhältnis zu den objektiven Zahlen“ und spricht von „Angsträumen“. Der
Magistratsvorlage zufolge stärke eine Videoüberwachung das „subjektive
Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“. Für mehr „gefühlte Sicherheit“
werden die Videokameras allerdings nicht sorgen. Vielmehr suggeriert
eine Kamera: Wo Videoüberwachung nötig ist, muss Kriminalität hoch sein.
Das verunsichert Menschen, statt ihnen Sicherheit zu vermitteln.
Die Stadt selbst trägt mit dem Beschluss jedenfalls nicht dazu bei, das
subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen: Sie benennt den Luisenplatz in
der Vorlage des Magistrats als „bevorzugtes Anschlagsziel von
Terroristen“. Der Verein Digitalcourage kommentiert dazu auf Twitter
[3]: „Darmstadt […] halluziniert eine Terrorgefahr herbei, um
Videoüberwachung auf einem öffentlichen Platz zu rechtfertigen.“
Begründet wird die rechtliche Legitimation des Beschlusses mit der im
Juni 2018 in Kraft getretenen Änderung des Hessischen Polizeigesetzes
(Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, HSOG).
Dort wurde für die Polizei- und Gefahrenabwehrbehörden eine neue
Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung öffentlicher Plätze bei
„drohender Gefahr“ geschaffen. Gegen die Reform des Polizeigesetzes und
des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes richten sich auch die
Verfassungsbeschwerden der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in
Kooperation mit der Humanistischen Union, den Datenschützern Rhein Main
und dem Forum Informatiker_innen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung [4] sowie die parallele Verfassungsbeschwerde der
Piratenpartei Hessen [5].
Die Kosten der geplanten Videoüberwachung des Luisenplatz „lassen sich
derzeit nur schätzen“. Man rechne mit ca. 150.000 EUR, wovon 2/3 über
eine Förderung vom Land und 1/3 von der Stadt selbst finanziert werden
würden.
Der Chaos Computer Club Darmstadt, die Bürgerrechtsgruppe
dieDatenschützer Rhein Main und das Bündnis Demokratie statt Überwachung
fordern Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP auf, die Pläne zur Einführung
einer „präventiven Videoüberwachung“ ein für alle Mal einzustampfen. Der
vermeintlichen Erhöhung der Sicherheit stehen tiefe Eingriffe in die
Persönlichkeitsrechte tausender Darmstädter Einwohner*innen entgegen.
[1]
https://darmstadt.more-rubin1.de/beschluesse_details.php?vid=20191104100133…
[2]
https://www.chaos-darmstadt.de/2017/pressemitteilung-videoüberwachung.html
[3] https://twitter.com/digitalcourage/status/1140918140093775872
[4] https://freiheitsrechte.org/pm-vb-hessen/
[5]
https://www.piratenpartei-hessen.de/blog/2019/06/27/piraten-reichen-verfass…
Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf die heutige Pressekonferenz im Hessischen Landtag
(Verfassungsbeschwerde gegen Hess. Verfassungsschutz- & Polizeigesetz),
möchte ich Sie auf unsere Pressemitteilung zum Thema aufmerksam machen.
Kurz zusammengefasst:
Gleich zwei Verfassungsbeschwerden gegen das im vergangenen Jahr
beschlossene Verfassungsschutzgesetz & Polizeigesetz in Hessen, insb.
gegen die Einführung von Staatstrojaner (Online-Durchsuchung) für die
Polizei und Analysesoftware „Hessendata“. Der CCC hält die Bedenken zur
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes für gerechtfertigt und weist auf das
hohe Missbrauchspotenzial sowie die Gefahren für die IT-Sicherheit hin.
Heute sind zwei weitere Verfassungsbeschwerden gegen Staatstrojaner in
Karlsruhe eingereicht worden. Die Verfassungskonformität der Regelungen
für den sogenannten Hessentrojaner, aber auch die unumgänglichem
technischen Gefahren hatten der Chaos Computer Club (CCC) sowie
zahlreiche weitere Sachverständige bereits während der Anhörung im
Landtag betont. Das staatliche Hacken gefährdet die innere Sicherheit.
Die Experimente mit staatlicher Schadsoftware müssen endlich beendet werden.
Zu den bereits in Karlsruhe eingereichten Verfassungsbeschwerden aus
anderen Bundesländern sowie gegen die Änderung der Strafprozessordnung
im Bund gesellen sich nun noch zwei Beschwerden aus Hessen, um die
unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe und Sicherheitsgefährdungen
durch Staatstrojaner einzudämmen. Die Verfassungsbeschwerden richten
sich gegen die im vergangenen Jahr beschlossenen Gesetzesnovellierungen
bei den hessischen Verfassungsschutz- und Polizeigesetzen.
Darin wurden nicht nur weitreichende Änderungen im Hessischen
Verfassungsschutzgesetz (HVSG) vorgenommen, sondern auch mit einem
kurzfristig – zwei Wochen vor der Beschlussfassung im Hessischen Landtag
– eingereichten 45-seitigen Änderungsantrag das hessische Polizeigesetz
(Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, HSOG)
reformiert. Damit machte die Koalition aus CDU und Grünen eine
parlamentarische Auseinandersetzung mit den weitreichenden Änderungen im
Polizeigesetz und auch eine öffentliche Debatte unmöglich.
Heute legen sowohl die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in
Kooperation mit der Humanistischen Union (HU), den Datenschützern Rhein
Main (dDRM) und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung (FifF) als auch mit einer zweiten
Beschwerdeschrift die Piratenpartei Hessen gegen das Gesetz
Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe ein.
Die GFF kritisiert in der Beschwerdeschrift die Legitimation zum Einsatz
des Staatstrojaners sowie die neu geschaffene rechtliche Grundlage für
die Nutzung der Software „Hessendata“ des umstrittenen US-Unternehmens
Palantir zur Auswertung von Daten aus zahlreichen Polizeidatenbanken und
sozialen Netzwerken. Sarah Lincoln von der GFF sieht in der Einführung
des Hessentrojaners und der Big-Data-Analysesoftware Hessendata einen
Angriff auf die Freiheitsrechte. Zudem kritisiert die GFF die mit der
Reform des Verfassungsschutzgesetzes eingeführten Änderungen zum
weitreichenden Einsatz von verdeckten Ermittlern, der Ortung von
Mobilfunkgeräten und der Überwachung von Reiserouten.
Die Piratenpartei fokussiert sich in ihrer Beschwerdeschrift auf die
Einführung von Quellen-Telekommunikationsüberwachung und
Online-Durchsuchung mittels Staatstrojaner als Einsatzmittel für die
Polizei. Sie bemängelt die Verfassungswidrigkeit der beschlossenen
Regelungen, denn diese widersprächen dem Grundrecht auf Gewährleistung
der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme
(IT-Grundrecht).
Bereits in der Stellungnahme an den Hessischen Landtag
[https://www.ccc.de/system/uploads/252/original/CCC-staatstrojaner-hessen.pdf]
wies der CCC auf die allgemeine Gefährdung für die IT-Sicherheit durch
den Einsatz von Staatstrojanern hin. An dieser Einschätzung hat sich
nichts geändert: „Spionagesoftware benötigt eine Schwachstelle im
angegriffenen Computersystem, die vom Besitzer des Systems nicht
geschlossen wurde und daher heimlich genutzt werden kann. […] Staatliche
Schadsoftware unterminiert die IT-Sicherheit damit strukturell, da ihre
Entwicklung die Anreize dafür setzt, Sicherheitslücken anzubieten, zu
verkaufen und nicht schließen zu lassen. […] Eine verantwortungsvolle
IT-Sicherheitspolitik zielt auf die Schließung von Lücken ab, statt sich
noch an der fragwürdigen Praxis des Handels mit Schwachstellen zu
beteiligen.“
Der Staat verletzt seine Schutzpflichten gegenüber den IT-Systemen
seiner Bürger, wenn er Sicherheitslücken ankauft und absichtlich
offenhält. Damit handelt er entgegen dem 2008 vom
Bundesverfassungsgericht definierten Grundrecht auf Gewährleistung der
Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Wenn die
hessische Landesregierung diesen Handel mit Schwachstellen legitimiert,
handelt sie nicht nur verfassungswidrig, sondern gegen ihre eigenen
Sicherheitsinteressen.
Zudem besteht beim Vorhalten eines Staatstrojaners ein enormes
Missbrauchspotenzial. Öffentlich bekannt wurde der Missbrauch und die
Zweckentfremdung von staatlicher Überwachungssoftware unter anderem bei
den Geheimdiensten NSA und BND
[https://www.reuters.com/article/us-usa-surveil-lance-watchdog/nsa-staff-use…,
https://www.berliner-zeitung.de/bka-reform---das-bundeskriminalamt-soll-per…]
durch jeweils unrechtmäßige private Zweckentfremdung zur Aufdeckung von
Liebes-Affären sowie im als „Patras-Affäre“ bekanntgewordenen Fall der
Frankfurter Bundespolizei.
[http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,807820,00.html]
„Staatstrojaner bieten aufgrund technisch unausweichlicher Gegebenheiten
zudem immer auch die Möglichkeit, vonseiten der Stafverfolgungsbehörde
manipulierte Daten oder gefälschte Beweise in IT-Systemen
einzuschleusen“, gibt Magnus Frühling vom Chaos Computer Club Frankfurt
zu bedenken. Damit vermindert sich die Beweiskraft der so erlangten
Daten erheblich, egal ob die Manipulation absichtlich oder wegen
fehlerhafter Software passierte.
„Millionen internetfähige Geräte sind in ihrer Sicherheit bedroht, wenn
der Staat Sicherheitslücken in weit verbreiteten Systemen ausnutzt und
sogar Informationen über diese Lücken ankauft. Es ist überhaupt nicht
miteinander vereinbar, dass der Staat einerseits Sicherheitslücken
offenhält, um Staatstrojaner einzusetzen, andererseits aber verpflichtet
wäre, Schutzpflichten für IT-Systeme zu wahren“, kommentiert Marco Holz
vom CCC Darmstadt.
Auf der Webseite hessentrojaner.de haben wir weitere Informationen zu
Funktionsweise und Problematik von Staatstrojanern zusammengetragen. Die
Tatsache, dass innerhalb weniger Jahre in immer mehr Bundes- und
Landesgesetzen die Befugnis zum staatlichen Hacken eingeführt wurde,
gefährdet die innere Sicherheit mehr als es ihr nutzt. Der CCC setzt
sich weiterhin dafür ein, den Irrweg des staatlichen Hackens zu verlassen.
Links:
Pressemitteilung der GFF:
https://freiheitsrechte.org/polizeigesetz-hessen/
Pressemitteilung der Piratenpartei:
https://www.piratenpartei-hessen.de/blog/2019/06/27/piraten-reichen-verfass…
Vorgang im Landtagsinformationssystem:
http://starweb.hessen.de/starweb/LIS/servlet.starweb?path=LIS/PdPi_FLMore19…
CCC-Stellungnahme im hessischen Landtag:
https://www.ccc.de/system/uploads/252/original/CCC-staatstrojaner-hessen.pdf
Weitere Beiträge, gemeinsame Erklärungen und Pressemitteilungen des CCC
zum Thema:
6 November 2017: Geplanter Staatstrojaner in Hessen gefährdet
IT-Sicherheit weltweit
https://www.ccc.de/de/updates/2017/hessentrojaner
20. November 2017: Hessischer Staatstrojaner vor dem Aus? - Grüne
Landtagsfraktion unter Zugzwang
https://www.chaos-darmstadt.de/2017/Hessentrojaner-Update.html
22. Dezember 2017: Gemeinsame Erklärung: Geplante Verschärfungen des
hessischen Verfassungsschutzgesetzes schädigen Demokratie und Grundrechte
https://www.chaos-darmstadt.de/2017/Gemeinsame-Erklaerung-zum-Verfassungsch…
6. Februar 2018: CCC-Stellungnahme: Kein Hessentrojaner für den Geheimdienst
https://www.ccc.de/de/updates/2018/stellungnahme-hessentrojaner
25. Mai 2018: Kein Hessentrojaner für den Geheimdienst, aber für die Polizei
https://www.ccc.de/de/updates/2018/hessentrojaner-polizei
6. Juli 2018: Heftige Kritik am Vorgehen von Schwarz-Grün zur Reform des
Verfassungsschutzgesetzes und des Polizeigesetzes in Hessen
https://www.chaos-darmstadt.de/2018/Kritik-Verfassungsschutzgesetz-und-HSOG…
18. November 2018: Offener Brief von 36 Organisationen und
Privatpersonen an die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Hessen
https://www.chaos-darmstadt.de/2018/offener-brief-freiheitsrechte.html
Bei Fragen erreichen Sie mich unter der Nummer 0152 31819842.
Viele Grüße
Marco Holz
Chaos Computer Club Darmstadt e.V.
Wilhelminenstraße 17
64283 Darmstadt