Sehr geehrter Damen und Herren,
am Donnerstag findet im Innenausschuss des Hessischen Landtags die
Sachverständigenanhörung zum geplanten „Gesetz zur Neuausrichtung des
Verfassungsschutzes in Hessen“ statt. Die Koalition aus CDU und Grünen
möchte dem dortigen Landesamt für Verfassungsschutz die Nutzung von
Spionagesoftware zum Einbruch in Computersysteme erlauben. Der Chaos
Computer Club (CCC) hat eine Stellungnahme abgegeben und kritisiert
darin den Gesetzesentwurf.
Der Anhörung vorausgegangen war die Informationskampagne
hessentrojaner.de, mit der ein breites Bündnis aller hessischen
CCC-Vertretungen und anderer Bürgerrechtsgruppen auf die strukturellen
Gefahren beim Einsatz von Staatstrojanern aufmerksam machte.
„Staatliche Spionagesoftware wie der nun geplante Hessentrojaner nutzt
Sicherheitslücken in alltäglicher Software“, erklärt Marco Holz vom CCC
Darmstadt. „Das heißt im Klartext: Das Land Hessen schickt seinen
Landesgeheimdienst auf den Schwarzmarkt oder zu fragwürdigen Trojaner-
Anbietern, um mit Steuergeldern Sicherheitslücken in weit verbreiteten
Programmen aufzukaufen und auszunutzen. Dabei nehmen sie billigend in
Kauf, dass diese Lücken nicht geschlossen werden können“, so Marco Holz
weiter.
Offenbar ist den hessischen schwarz-grünen Koalitionären entgangen, dass
sie damit die ohnehin schon erheblichen Probleme in der IT-Sicherheit
mit staatlichen Geldern befeuern. Während Wirtschaft, Behörden und
hunderttausende Privatpersonen noch an den Folgen von „Wannacry“
laborieren, soll der hessische Geheimdienst auf Trojaner-Einkaufstour
geschickt werden. Im Sommer letzten Jahres hatte dieser
Erpressungstrojaner weltweit Millionen Windows-PCs angegriffen,
wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe verursacht und unter anderem
in britischen Krankenhäusern den Betrieb lahmgelegt. Die von „Wannacry“
genutzte Sicherheitslücke war zuvor von der NSA absichtlich jahrelang
geheimgehalten worden. Trotzdem hält es die hessische Landesregierung
offenbar immer noch für eine gute Idee, für ihren Geheimdienst in
Schadsoftware zu investieren.
„Wenn der Staat Spionagesoftware entwickeln lässt, untergräbt er
strukturell die IT-Sicherheit. Schließlich setzt er hier mit
Steuergeldern Anreize, Sicherheitslücken nicht zu schließen, um sie
dauerhaft ausnutzen zu können. Kollateral- und Folgeschäden für
Wirtschaft und Bevölkerung werden dabei schlicht ignoriert oder
totgeschwiegen“, resümiert Marco Holz.
Zudem schränkt der hessische Gesetzesentwurf den ohnehin fragwürdigen
Trojanereinsatz nur unzureichend ein. „Nicht einmal die vom
Bundesverfassungsgericht gesetzten Schranken werden eingehalten“,
kritisiert Dirk Engling vom CCC Berlin. „Die vom Gericht geforderte
Zweckbeschränkung der Spionage-Maßnahmen ist schlicht nicht vorgesehen.
Die Protokollierungspflichten sind lückenhaft, eine Einsicht in den
Quellcode des Trojaners gar nicht erst geplant. Die einzigen
vorgesehenen Kontrollinstanzen, das Amtsgericht Wiesbaden und das
parlamentarische Kontrollgremium des Landtags, können ihren Aufgaben
unter diesen Bedingungen nicht adäquat nachkommen.“
Auch aufgrund der schweren Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre von
Betroffenen und unbeteiligten Dritten sowie wegen des hohen
Missbrauchspotentials von Staatstrojanern ist das hessische Vorhaben
abzulehnen. Die Landesregierung bemüht denselben gefährlichen Trick, den
„Quellen-TKÜ“-Trojaner rechtlich so zu fassen, als handele es sich um
eine bloße Telefonverbindung. Dabei ist eine „Quellen-TKÜ“ technisch
gesehen auch nur ein etwas eingeschränkter Trojaner und in keiner Weise
mit dem Abhören von Telefonen gleichzusetzen.
Justus Hoffmann vom CCC Darmstadt zeigt sich trotzdem optimistisch: „Die
schwarz-grüne Koalition hätte das Gesetz wohl gern im Schnelldurchlauf
unbemerkt durch den Landtag gepeitscht. Der hessentrojaner.de-Kampagne
und den zahlreichen Engagierten aus vielen verschiedenen Organisationen
ist es zu verdanken, dass wir nun eine öffentliche Debatte über das
staatliche Hacken durch Geheimdienste haben. Wir wollen dieses Gesetz
stoppen, denn es schadet eindeutig mehr als es nützt.“
Begleitend zur Anhörung im Landtag am Donnerstag finden eine
Podiumsdiskussion und eine Kundgebung statt. Die Anhörung beginnt am 8.
Februar um 10 Uhr im Innenausschuss des Wiesbadener Landtags.
Am Abend werden wir auf Radio Darmstadt in der Sendung C-RadaR die
Ergebnisse der Anhörung diskutieren.
Links:
* Stellungnahme als PDF:
https://ccc.de/system/uploads/252/original/CCC-staatstrojaner-hessen.pdf
* Mehr Informationen zum geplanten Hessentrojaner:
https://www.hessentrojaner.de/
* Einladung zur Podiumsdiskussion am Vorabend und Aufruf zur Kundgebung
am Donnerstag: https://www.hessentrojaner.de/aufruf/
* Radiosendung C-RadaR: https://www.c-radar.de/
Viele Grüße
Marco Holz
Tel. 0152 31819842
CCC Darmstadt
Wilhelminenstraße 17
64283 Darmstadt
Sehr geehrte Damen und Herren,
unter dem Motto „Hessentrojaner - Nein Danke!“ rufen die hessischen
Chaos Computer Clubs, die Humanistische Union, die Datenschützer
Rhein-Main, Digitalcourage, das Bündnis Demokratie statt Überwachung,
die Internationale Liga für Menschenrechte zusammen mit weiteren
Bürgerrechtsorganisationen sowie den Parteien DIE LINKE und der
Piratenpartei zum kreativen Protest vor dem Landtag anlässlich der
Anhörung des Innenausschusses zur von CDU und Grünen eingebrachten
Reform des Verfassungsschutzgesetzes auf.
Zusätzlich findet am 7. Februar ab 19.30 Uhr eine Podiumsdiskussion zur
Frage „Stirbt Freiheit mit Sicherheit?“ in Wiesbaden statt.
Ort: Haus an der Marktkirche (Schlossplatz 4, 65183 Wiesbaden)
Referenten:
Dr. Constanze Kurz | Sprecherin Chaos Computer Club
Sandro Witt | Stellv. Vorsitzender DGB Hessen-Thüringen
Dr. Rolf Gössner | Internationale Liga für Menschenrechte
Janine Wissler | Vorsitzende Linksfraktion Hessen
Dr. Till Müller-Heidelberg | Humanistische Union
Kundgebung zur Reform des Verfassungschutzgesetzes:
8. Februar, 9:00 Uhr - Kundgebung in Wiesbaden mit Sachverständigen der
Anhörung unter dem Motto „Hessentrojaner: Nein Danke“
Ort: Dernsches Gelände (zwischen Marktkirche und Rathaus), 65183 Wiesbaden
Den Aufruf finden Sie auch online auf unserer Informationswebseite zum
Hessentrojaner: https://hessentrojaner.de/aufruf/
23 Organisationen unterstützen bereits unsere gemeinsame Erklärung gegen
den Gesetzentwurf von CDU und Grünen zur Verfassungsschutz-Reform. Sie
stellen sich - genauso wie die Landesmitgliederversammlung der Grünen
vom 18. November 2017 - gegen die Einführung eines „Hessentrojaners“,
gegen Online-Durchsuchungen und Quellen-Telekommunikationsüberwachung,
gegen die Einführung einer Extremismusklausel, gegen die Zusammenarbeit
mit V-Leuten und gegen die Nichtunterrichtung von
Strafverfolgungsbehörden, wenn verdeckte Mitarbeiter einen
Straftatbestand von erheblicher Bedeutung begehen. Stattdessen fordert
das Bündnis eine echte parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes und
Konsequenzen aus Datenskandalen sowie dem NSU-Komplex.
„Mit der Aktion wollen wir sowohl der Grünen Basis als auch der Grünen
Landtagsfraktion die Gelegenheit geben, sich klar gegen das geplante
Gesetz und gegen immer mehr Überwachung, Aushöhlung der Grundrechte und
ausufernde Macht der Geheimdienste zu positionieren“, erklärte
HU-Landessprecher Jens Bertrams. „Der aktuell vorliegende
Gesetzesentwurf bedarf einer Überarbeitung. Die Gefahren für die
IT-Sicherheit und die drohenden Einschränkungen unserer Grundrechte
durch den Hessentrojaner liegen auf der Hand. Wenn der Staat ein
Interesse daran hat, dass Schwachstellen in unserer IT-Infrastruktur
bestehen, stellt dies eine Bedrohung für die Computersysteme der
Bevölkerung dar und gefährdet unter anderem auch unsere
Logistikinfrastruktur und Krankenhäuser“, ergänzt Marco Holz vom Chaos
Computer Club Darmstadt. „Noch haben Die Grünen die Chance, den
verfassungswidrigen Gesetzentwurf zurückzuziehen. Damit hätte das
Überwachungsgesetz keine Mehrheit im Parlament, sodass endlich über eine
parlamentarische Kontrolle, Konsequenzen aus diversen Skandalen und die
Stärkung von Bürgerrechten diskutiert werden könnte“, so Bertrams weiter.
Durch NSU- und Abhör-Skandale sind Geheimdienste massiv in die Kritik
geraten. Klare Rechtsvorschriften, parlamentarische Kontrolle,
Datenschutz und Informationsverarbeitung - das waren
Mindestanforderungen an Geheimdienst-Reformen, doch CDU und Grüne in
Hessen haben in kurzer Zeit das Geheimdienst-Budget verdoppelt und
wollen nun auch die Geheimdienst-Kompetenzen massiv ausbauen.
Viele Grüße
Marco Holz
Tel. 0152 31819842
CCC Darmstadt
Wilhelminenstraße 17
64283 Darmstadt