Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei unsere gemeinsame Erklärung zur Reform des Hessischen
Verfassungsschutzgesetzes. Wir, ein Bündnis aus
Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern und Demokratieprojekten,
fordern damit die Grünen und den gesamten Hessischen Landtag auf, dem
vorliegenden Gesetzentwurf in der derzeitigen Form nicht zuzustimmen.
Bei weiteren Rückfragen erreichen Sie mich per Mail via
info(a)chaos-darmstadt.de oder telefonisch unter der Nummer 0152 31819842.
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Gemeinsame Erklärung warnt vor schwarz-grüner Gesetzesnovelle:
Geplante Verschärfungen des hessischen Verfassungsschutzgesetzes
schädigen Demokratie und Grundrechte
Das geplante Verfassungsschutzgesetz für Hessen ist die
freiheitsfeindlichste Regelung zur Arbeit eines Geheimdiensts in
Deutschland. Sorgen bereitet Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern
und Demokratieprojekten sowie vielen Menschen die damit drohende Gefahr
für Meinungsfreiheit, Informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz,
Rechtsstaat und Demokratie.
Befremden hat auch die Haltung der Grünen-Fraktion im Hessischen Landtag
ausgelöst. Trotz eines ablehnenden Beschlusses der Grünen
Landesmitgliederversammlung am 18. November 2017 in Hanau treiben die
grünen Regierungsmitglieder und Parlamentarier das
Gesetzgebungsverfahren im Eiltempo durch den Hessischen Landtag.
Dabei drohen zahlreiche schwerwiegende Folgen, die bisher noch gar nicht
alle öffentlich diskutiert wurden. Schon die vier wichtigsten
Kritikpunkte machen deutlich, warum nicht nur die Grüne Basis dieses
Gesetz ablehnt:
1. Der Gesetzentwurf vom 14. November 2017 sieht den heimlichen Einsatz
sogenannter Trojaner vor. Sie nutzen Lücken in Programmen und Apps, um
unbemerkt vom angegriffenen Nutzer Smartphones, Computer oder andere -
mit dem Internet verbundene - Geräte zu kontrollieren.
Durch die Nutzung von Trojanern gerät der Staat in ein moralisches
Dilemma: Zwar möchte er auf der einen Seite angesichts der zunehmenden
Bedrohungslage die IT-Sicherheit von Privatpersonen und Unternehmen
fördern, andererseits hat er aber auch ein starkes Interesse an einem
Fortbestand solcher Sicherheitslücken. Finanziert mit Steuergeldern,
werden sie möglichst lange vor den Herstellern der Programme und Apps
geheim gehalten. Weil deshalb nicht nur der Verfassungsschutz, sondern
auch Internet-Kriminelle diese Lücken ausnutzen können, ermöglicht und
fördert der Staat damit letztlich auch ihre Verbrechen.
Der "Hessentrojaner" gefährdet deshalb weltweit informationstechnische
Systeme sowie die Integrität und Vertraulichkeit digitaler
Kommunikation, wie sie per Grundgesetz und nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eigentlich besonders geschützt werden
sollen. Terroristische Anschläge in den Ländern mit den schärfsten
Abhör- und Überwachungsgesetzen zeigen, dass solche Trojaner keinen
Bürger vor Gewalt schützen. Mit ihrer Hilfe werden eher ungefährliche
Oppositionelle verfolgt oder eingeschüchtert.
2. Künftig soll das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV)
Personen überprüfen, die in Projekten zur Abwehr von Islamismus,
Rechtsradikalismus und anderen demokratierelevanten Bereichen durch
Landesmittel gefördert werden. Der hessische Verfassungsschutz erhält
hier also den Auftrag, auch die Gegner der Extremisten zu erfassen.
Dabei benutzt er nach wie vor einen fragwürdigen Extremismusbegriff. Die
Beschäftigten bei solchen Projekten lehnen diese Gesinnungsschnüffelei
zu Recht ab, die an unselige Zeiten der Berufsverbote erinnert. Im Falle
einer Verweigerung droht ihnen der Entzug der Fördergelder oder sonst
der Verlust ihres qualifizierten Personals.
3. Auch weiterhin soll der Verfassungsschutz in Hessen systematisch
V-Leute einsetzen können. Selbst vorbestrafte Kriminelle können als
Zuträger aktiviert werden, wenn die Führungsebene des Landesamts ihren
Einsatz befürwortet. Damit unterstützt eine staatliche Behörde
Kriminelle und fördert deren rechtswidriges Handeln.
4. Obwohl der Mord an Halit Yozgat in Kassel und die Rolle des
Landesamts für Verfassungsschutz mitsamt seines damaligen V-Mann-Führers
Andreas Temme sowie die Rolle des damaligen Innenministers Volker
Bouffier immer noch nicht lückenlos aufgeklärt sind und zahlreiche
Widersprüche und nachweisbare Falschaussagen bislang keinerlei
Konsequenzen gezeigt haben, will die Landesregierung den
Verfassungsschutz in Hessen durch zusätzliche Befugnisse und technische
Ausstattung weiter stärken. Die im Gesetzentwurf vorgesehene
parlamentarische Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes ist indes sehr
lückenhaft und muss angesichts von dessen Aufrüstung und Stärkung
weitgehend ins Leere laufen. Die Regierungsmehrheit bestimmt, wer in der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) vertreten ist und hat dort
die Mehrheit. Zudem bestehen kaum Dokumentationspflichten, die eine
wirksamere Überprüfung der Aktivitäten des Geheimdienstes durch die
Parlamentarische Kontrollkommission oder durch Gerichte gewährleisten
könnten.
Angst vor Terror darf nicht zum Abbau von Demokratie und Bürgerrechten
führen. Ein kaum zu erwartender Erkenntnisgewinn darf nicht durch die
massive Einschränkung von Freiheitsrechten wie beim vorliegenden Entwurf
zum Hessischen Verfassungsschutzgesetz erkauft werden. Insbesondere der
Respekt vor den Opfern des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU)
und die Lehren aus den Verfassungsschutzskandalen gebieten die
konsequente Verfolgung aller Verantwortlichen einschließlich von
Mitarbeitern des Verfassungsschutzes sowie dessen angemessene Reform und
"rechtsstaatliche Zähmung".
Auch der Mitte Dezember aufgrund öffentlichen Drucks nachgeschobene
"eilige Entschließungsantrag" der Regierungskoalition bleibt nur ein
Lippenbekenntnis. Darin betonen CDU und Grüne zwar, dass die
Präventionsarbeit nur gelingen könne, wenn sie von Vertrauen getragen
wird; gleichzeitig beharren sie aber weiterhin auf der Einbeziehung
nachrichtendienstlicher Erkenntnisse als angebliche Voraussetzung für
solches Vertrauen. Das Vertrauen in seine demokratische Ausrichtung hat
der Geheimdienst aber spätestens durch seine Vertuschungsaktionen
während der Aufarbeitung der NSU-Morde endgültig verspielt.
Angesichts dieser und vieler weiterer Bedenken fordern wir Die Grünen
und den gesamten Hessischen Landtag auf, das Gesetzgebungsverfahren
abzubrechen und dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.
Keinesfalls dürfen Die Grünen in Hessen den Weg in den Überwachungsstaat
ebnen.
UNTERSTÜTZER (alphabetische Reihenfolge)
Arbeitskreis Barrierefreies Internet (AKBI) e.V.
www.akbi.de
Chaos Computer Club Darmstadt
www.chaos-darmstadt.de
Die Datenschützer Rhein-Main
www.ddrm.de
Die Linke Hessen
www.die-linke-hessen.de
Digitalcourage e.V.
www.digitalcourage.de
Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
e.V. (FIfF)
www.fiff.de
Freifunk Marburg
marburg.freifunk.net
Humanistische Union Frankfurt
frankfurt.humanistische-union.de
Humanistische Union, Landesverband Hessen
www.hu-hessen.de
Humanistische Union Marburg
www.hu-marburg.de
Internationale Liga für Menschenrechte
www.ilmr.de
Komitee für Grundrechte und Demokratie
www.grundrechtekomitee.de
Linke Fraktion im Hessischen Landtag
www.linksfraktion-hessen.de
Marburger Initiative gegen den Überwachungsstaat
www.miguest.de
Piratenpartei Hessen
www.piratenpartei-hessen.de
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Viele Grüße
Marco Holz
CCC Darmstadt
Wilhelminenstraße 17
64283 Darmstadt
Tel. 0152 31819842